Bundeskanzlerermessen im Verfassungsstaat ( Schriften zum Öffentlichen Recht )

Publication series :Schriften zum Öffentlichen Recht

Author: Roth   Christian Tobias  

Publisher: Duncker & Humblot GmbH‎

Publication year: 2009

E-ISBN: 9783428529537

P-ISBN(Paperback): 9783428129539

Subject:

Keyword: Rechts- und Staatswissenschaften

Language: GER

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Description

"Ermessen" ist ein Rechtsbegriff, dessen Herkunft und primäres Anwendungsgebiet im Verwaltungsrecht liegt. Das Bundesverfassungsgericht verwendet den Terminus in einigen bedeutenden Urteilen, um seine Nachprüfungskompetenz gegenüber den staatsleitenden Regierungsorganen abzugrenzen. Diese Begriffsübertragung markiert eine besondere Schnittstelle zwischen Verwaltungs- und Verfassungsrecht, die es zu hinterfragen gilt: Ob und unter welchen Voraussetzungen eignet sich Ermessen zur Erfassung von Entscheidungsspielräumen der Bundesregierung und des Bundeskanzlers? Und wie verhält sich ein "Bundeskanzlerermessen" zu der Vielzahl anderer Begriffe - Gestaltungsspielraum, Einschätzungsprärogative oder Beurteilungsspielraum -, welche die Grenzen der Rechtsbindung von Verfassungsorganen umschreiben? Christian Tobias Roth untersucht zunächst verschiedene Formen von Injustiziabilität im Regierungsbereich und grenzt sie gegenüber dem Ermessen ab. Eine Auswertung höchstrichterlicher Urteile erschließt sodann die Funktion und den abstrakten Bedeutungsgehalt der in der Rechtsprechung anzutreffenden Begriffe. Ausgehend vom Verwaltungsrecht erörtert der Autor die Struktur von Ermessen und identifiziert es als eine von Normenhierarchie und Entscheidungsträger unabhängige Beschränkung richterlicher Kontrolle. Dieser Befund erlaubt nicht nur seine Transformation in das Verfassungsrecht; verfassungsrechtlich erscheint sie sogar geboten. Ermessen kann hier dazu beitragen, die Sphären des Rechts und der Politik in weiten Teilen kommensurabel zu gestalten. Gleichwohl verbietet sich eine Gleichsetzung mit einer lediglich durch den Verfassungsrahmen negativ begrenzten politischen Gestaltungsfreiheit. Am Beispiel der Art. 64, 65 und 68 GG untersucht der Autor die verschiedenen Entscheidungskategorien anhand konkreter Normen und praktisch relevanter Konstellationen. Die Frage nach einem gubernativen oder einem "Bundeskanzlerermessen" ist zugleich die Frage nach den Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit. Sie wird im letzten Kapitel unter Einbeziehung der gewonnenen Erkenntnisse beleuchtet.

Chapter

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Historische Einordnung und inhaltliche Abgrenzung politischen Ermessens

I. Die Theorien von den Regierungsakten und politisches Ermessen aus historischer Perspektive

II. Faktische und prozessuale Injustiziabilitäten − Abgrenzung zum Ermessen

1. Unterlassen einer Klage aus politischen Gründen

2. Verfahrensrechtliche Injustiziabilität

a) § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

b) Art. 93 Abs. 1 GG

c) Gesetzliche Ausnahmen

III. Ausschluss des Rechtswegs und Ausgestaltung der Rechtsbindung

C. Gubernative Entscheidungsspielräume in der Rechtsprechung

I. Einteilung nach Sachbereichen

II. Einteilung nach Entscheidungsspielräumen

1. Politisches Ermessen

a) Außenpolitischer Initiativbereich der Regierung

b) Verteidigungspolitik

c) Verfassungsrechtliche Gebote

d) Verfassungsrechtliche Schutzpflichten

e) Staatsorganisationsrecht

f) Ergebnis

2. Gestaltungsspielraum

3. Einschätzungsprärogative

a) Außen- und Verteidigungspolitik

b) Risikoentscheidungen im innenpolitischen Bereich

c) Ergebnis

4. Beurteilungsspielraum

III. Typisierung der Entscheidungsspielräume

IV. Entscheidungsäquivalenz zwischen Legislative und Gubernative

V. Entscheidungsspielräume als objektiv-rechtliche Kompetenzgrenzen

VI. Kontrollmaßstäbe und Kontrolldichte

1. Rechtsbindung der politischen Organe

2. Rechtsbindung der Judikative

3. Politische Kontrolle als Surrogat gerichtlicher Kontrolle

VII. Ergebnis

D. Ermessen im Allgemeinen Verwaltungsrecht

I. Verfassungsrechtliche Fragen des Ermessens

II. Voraussetzungen und Inhalt des Ermessens

III. Rechtliche Bindungen der Ermessensentscheidung

IV. Folgerungen für die gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen

V. Ansätze und Kritik einer Kategorisierung administrativer Letztentscheidungsrechte

1. Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff

2. Weitere Kategorisierungsansätze

a) Planungsermessen

b) Gestaltende Verwaltung

3. Einheitstheorien

VI. Zugrunde gelegte verwaltungsrechtliche Begriffsbedeutungen

1. Beurteilungsspielraum

2. Ermessen

3. Gestaltungsfreiheit

E. Verwaltungsrechtliche Entscheidungskategorien im Verfassungsrecht?

I. Übertragbarkeit des Ermessensbegriffs

1. Kritik und Ablehnung einer Begriffsübertragung

2. Anerkennung des Ermessens als verfassungsrechtliche Entscheidungsform

3. Politisches Ermessen als Unterfall eines einheitlichen Ermessensbegriffs

II. Voraussetzungen und Grenzen einer Begriffsübertragung

1. Die Stufentheorie des Rechts und ihre Rezeption in der zeitgenössischen Rechtswissenschaft

2. Differenzierende Konzeptionen

a) Freie und gebundene Staatstätigkeit

b) Diskussion unter Geltung des Grundgesetzes

c) Entscheidungskategorien nach den differenzierenden Ansätzen

F. Systematisierung öffentlich-rechtlicher Entscheidungsspielräume am Beispiel der Regierung

I. Unterscheidung zwischen Entscheidungsspielräumen und Organfunktion

II. Rechtsbindung der Regierung

III. Die Verfassung des Grundgesetzes als Rahmenordnung

IV. Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Determination staatlicher Entscheidungen

1. Differenzierung zwischen formellen und materiellen Maßstäben

2. Materiell-rechtliche Doppelfunktion der Verfassung

3. Folgerungen für das Verhältnis von Recht und Politik

V. Korrelation der Entscheidungsstruktur mit der Qualität der Rechtsbindung

1. Abgrenzung und Exklusivität zwischen Vollzug und Zwecksetzung

2. Relativierung der Abgrenzung unter dem Aspekt der Allgemeinwohlverpflichtung?

3. Zuordnung des Ermessens nach den entwickelten Kriterien

VI. Ergebnis: Abgrenzung zwischen Gestaltungsfreiheit und Ermessen

VII. Voraussetzungen und Erscheinungsformen von Gestaltungsfreiheit

1. Legislative und gubernative Gestaltungsfreiheit

2. Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen

3. Grenzen des parlamentarischen Zugriffsrechts

4. Strukturelle Äquivalenz legislativer und gubernativer Entscheidungen

5. Administrative Gestaltungsfreiheit?

G. Verfassungsrechtliche Determination gubernativer Entscheidungen

I. Normspezifische Betrachtung

1. Art. 64 Abs. 1 GG

a) Materielles Kabinettsbildungsrecht

aa) Mitsprache des Bundespräsidenten bei der Ministerernennung?

(1) Rechtliches Prüfungsrecht

(2) Politisches Prüfungsrecht

bb) Umfang des rechtlichen Prüfungsrechts

(1) Wählbarkeits- und Inkompatibilitätsvorschriften

(2) Verfassungstreue des Kandidaten?

(3) Keine Geltung des Art. 33 Abs. 2 GG

cc) Politisches Ermessen

dd) Entlassung

b) Organisationsgewalt

c) Politische Grenzen bei Kabinettsbildung und Kabinettsorganisation

2. Art. 65 GG

a) Richtlinienkompetenz

aa) Tatbestandsmerkmal „Richtlinien“

bb) Beurteilungsspielraum

cc) Richtlinienkompetenz und Ressortprinzip

dd) Richtlinienkompetenz und Kabinettsprinzip

ee) Politische Funktion der Richtlinienkompetenz

ff) Politische Grenzen der Richtlinienkompetenz

b) Regelungsgegenstand der Richtlinienkompetenz

aa) Politik und Staatsleitung

bb) Regierungskompetenz zur Staatsleitung

cc) Spezielle und allgemeine Regierungskompetenz zur Staatsleitung

dd) Anwendungsbereich des Art. 65 GG

c) Ergebnis: Entscheidungsstruktur staatsleitender Entscheidungen

aa) Richtlinienermessen

bb) Gestaltungsfreiheit

3. Art. 68 GG

a) Normativer Gehalt des Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG

aa) Wortlaut

bb) Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG als reine Verfahrensvorschrift?

cc) Anerkennung eines materiellen Tatbestandsmerkmals in Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG

(1) Entstehungsgeschichte

(2) Systematik

(3) Teleologie

b) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

aa) Bindung an den Normzweck

bb) Anforderungen an eine materielle Auflösungslage

cc) Kontrollrechtliche Probleme und Kritik

c) Die Stellung des Bundespräsidenten im Auflösungsverfahren

d) Konkretisierung der erforderlichen Krisenlage

e) Ergebnis

II. Grundgesetzliche Systematik

1. Grundrechte

2. Staatsziele

3. Grundrechtliche Schutzpflichten

4. Spezialfall: Auslandsschutz

5. Ergebnis

H. Politische Entscheidungsspielräume als Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit

I. Das Bundesverfassungsgericht als Gericht

II. Die politischen Organe

III. Folgerungen für das Verhältnis zwischen Judikative und Politik

IV. Kontrollmaßstab, Kontrolldichte und Kontrollkompetenz

V. Fehlender Kontrollmaßstab für die politische Zweckmäßigkeit

VI. Die politische Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit

VII. Versuch einer Kompetenzabgrenzung

1. Kombination materiell-rechtlicher und funktionell-rechtlicher Kriterien

2. Verpflichtung auf eine juristische Methode

3. Konkretisierungskompetenz der politischen Organe

4. Ergebnis

VIII. Reichweite der Nachprüfung

1. Formelle Rechtmäßigkeitsprüfung

2. Tatsachenfeststellung/Einschätzungsprärogative

3. Politisches Ermessen

4. Gestaltungsfreiheit

I. Schluss

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

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