Description
Die Autorin entwickelt die Begründung des Völkerstrafrechts in zwei großen gedanklichen Schritten: Im ersten Teil entfaltet sie, wie im Ausgang vom kantischen Freiheits- und Rechtsbegriff staatliche Strafe als freiheitliches Rechtsinstitut zu begründen ist. Der zweite Teil nimmt die Ergebnisse dieser Untersuchung auf und überprüft, inwieweit sie auch für den internationalen Zusammenhang tragende Begründungskraft haben. Dem Begründungsgang liegt ein Rechtsverständnis zugrunde, das im wesentlichen von Immanuel Kant geprägt wurde. Das Recht soll das selbständige Leben der einzelnen Rechtsgenossen in Freiheit ermöglichen, indem es wechselseitige personale Achtung für die Lebenswirklichkeit vernunftbegabter Individuen verfestigt. Rechtsstrafe erweist sich als vereinbar mit diesen Grundbestimmungen des Rechts, indem sie durch Aufhebung strafwürdigen Unrechts erstens das rechtliche Anerkennungsverhältnis der Individuen untereinander restituiert, zweitens die allgemeine Geltung des Rechts innerhalb einer rechtlichen Gemeinschaft wiederherstellt und drittens die Möglichkeit der Garantie des Rechts durch verfaßte Strukturen erhält. Für die Begründung der völkerrechtlichen Strafe wird prinzipiell derselbe gedankliche Dreischritt fruchtbar gemacht. Der gewählte Ansatz - Strafe als Unrechtsaufhebung - macht es jedoch notwendig, zunächst die besondere Qualität völkerrechtlichen Strafunrechts zu bestimmen. Im ersten Schritt wird deshalb das völkerrechtliche Verbrechen auf die mit ihm verbundene konkrete Freiheitsverletzung im Anerkennungsverhältnis zurückgeführt. Im zweiten Schritt ist hinsichtlich der Allgemeinheitsseite der Straftat auf Weltebene zunächst die Möglichkeit allgemeiner Rechtsgeltung und ihrer Sicherung in Form einer verfaßten Rechtsordnung zu bestimmen. Der Völkerverbrechensbegriff hat dann diejenige Rechtsverletzung zu kennzeichnen, die durch weltgemeinschaftliche Reaktion in Form der Strafe aufgehoben werden muß. Eine Definition, die dem Rechnung trägt, verbindet den allgemeinen Verbrechensbegriff mit der - im Durchgang durch Kants Rechts- und Friedenslehre in ihren Grundzügen bestimmten - Weltrechtsordnung. Völkerrechtliche Strafe kann dann als Aufhebung völkerrechtlichen Unrechts in all seinen Dimensionen begründet werden.
Chapter
Kennzeichnung der Fragestellung
A. Die Schwierigkeit der Begründung internationaler Strafe
B. Exemplarische Kritik am vorherrschenden Umgang mit der Begründungsfrage
C. Skizzierung des Begründungsgangs und des Anliegens der vorliegenden Arbeit
1. Teil: Freiheitliche Strafbegründung im Staat
A. Die Freiheit des Subjekts als Fundament jeder Rechtsbegründung
B. Die Verbundenheit der freien Subjekte miteinander
C. Der rechtliche Zusammenhang
I. Inhaltlich-materielle Bestimmung des Rechts nach Kant
1. Das allgemeine Rechtsgesetz
II. Das Zustandekommen positiver Gesetze und die Garantie der Rechtswirklichkeit in einer rechtlich verfaßten Gemeinschaft
a) Materielle Bestimmungen
2. Garantie der Rechtswirklichkeit
3. Zusammenfassung zu II.
D. Staatliche Strafe als Unrechtsreaktion
I. Staatlicher Rechtszwang
II. Staatliche Rechtsstrafe
1. Freiheitliche Strafbegründung
a) Unrecht bzw. Verbrechen als Anknüpfungspunkt der Strafe
aa) Interpersonales Unrecht
bb) Die "Verletzung des Rechts als Recht"
cc) Bruch des rechtlich verfaßten Friedensverhältnisses
aa) Strafe im Interpersonalverhältnis?
bb) Aufhebung der Verletzung des Rechts als Recht
(1) Wiederherstellung der Rechtsgeltung
(2) Aufhebung des Selbstwiderspruchs
cc) Ausgleich zum Bruch des rechtlich verfaßten Friedensverhältnisses
2. Die Rolle des Staates für eine freiheitliche Strafbegründung
a) Strafe wegen der Verletzung der gesetzlichen Ordnung als solcher
b) Die Realisierung moralisch begründeter Strafe im Staat
c) Materiell-formelle Strafbegründung
3. Kritik an instrumentalen Denkansätzen zur Strafbegründung
E. Zusammenfassung des 1. Teils
2. Teil: Rechtsstrafe auf internationaler Ebene
A. Notwendige Begründungserweiterung im internationalen Zusammenhang
B. Materiell-rechtliche Begründungselemente des Völkerstrafrechts
I. Interpersonales Unrecht im Völkerstrafrecht
1. Die Gültigkeit eines interpersonalen Unrechtsbegriffs im Völkerstrafrecht
a) Der Begriff der "Makrokriminalität"
b) Der Begriff der "staatsverstärkten Kriminalität"
c) Der Begriff des "Systemunrechts"
2. Das völkerrechtliche Verbrechen als konkrete Freiheitsverletzung im Interpersonalverhältnis
II. Die "Verletzung des Rechts als Recht" durch ein völkerrechtliches Verbrechen
1. Das allgemeine Weltrecht
a) Vorbedingungen eines Rechtsfriedens: Das Fundament der internationalen Rechtsbegründung
b) Inhaltlich-materielle Bestimmung des internationalen Rechts
c) Internationale Rechtsfriedensordnung
bb) Das (öffentliche) Völkerrecht
2. Das völkerrechtliche Verbrechen als Negation allgemeinen Weltrechts: Völkerstrafrechtlicher Unrechtsbegriff
a) Differierende Begründungsansätze
aa) Zustand der Rechtlosigkeit durch das völkerrechtliche Verbrechen
bb) Das universale Verbrechen als Negation der Verfassungs- und Völkerrechtsfähigkeit eines Volkes bzw. Staates
b) Die Straftatbestände des Völkerstrafrechts: Grundzüge einer Unrechtsbestimmung
bb) Verbrechen gegen die Menschlichkeit
III. Zusammenfassung zu B.
C. Formell-rechtliche Aspekte der Legitimität des Völkerstrafrechts
I. Primäre Zuständigkeit der Staaten
II. Freiheitliche Wahrnehmung des Völkerstrafrechts
D. Zusammenfassung des 2. Teils