Das Recht in der Risikogesellschaft :Der Beitrag des Strafrechts zum Schutz vor modernen Produktgefahren ( Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge )

Publication subTitle :Der Beitrag des Strafrechts zum Schutz vor modernen Produktgefahren

Publication series :Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge

Author: Reus   Katharina  

Publisher: Duncker & Humblot GmbH‎

Publication year: 2010

E-ISBN: 9783428532643

P-ISBN(Paperback): 9783428132645

Subject:

Keyword: Rechts- und Staatswissenschaften

Language: GER

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Description

Ausgehend von den Thesen des Soziologen Ulrich Beck, der unsere Zivilisation als Risikogesellschaft beschreibt, erörtert Katharina Reus die Möglichkeiten rechtlicher Steuerung von komplexen Gefahren in einem globalisierten Umfeld. Hier gibt es immer mehr grundsätzlich steuerbare Risiken, die eine Vielzahl von Menschen bedrohen, aber aufgrund ihrer Komplexität vom Einzelnen nicht erkannt und beherrscht werden können. Diese Risiken steigern das Schutzbedürfnis der Bürger und erzeugen einen Veränderungsdruck im staatlichen Sicherungssystem. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt - neben Ausführungen zur dadurch notwendig werdenden (Neu-)Organisation des Gefahrenabwehrrechts - auf der Frage, welchen Beitrag das Strafrecht zur Sicherheit in einer "Risikogesellschaft" leisten kann. Exemplarisch verdeutlicht wird diese grundlegende Fragestellung im Bereich strafrechtlicher Produktverantwortlichkeit. Die Autorin diskutiert kritisch vor allem die Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte, auf die der Gesetzgeber zur Erfassung komplexer Lebensbereiche verstärkt zurückgreift, sowie mögliche Gründe für die bisweilen zu attestierende Ineffizienz und Symbolhaftigkeit des modernen Strafrechts. Ausgehend von den Legitimationsgrundlagen und verfassungsrechtlichen Grenzen von Strafe im Rechtsstaat schlägt sie vor, wie effektive strafrechtliche Strukturen auch in komplexen Lebensbereichen aussehen könnten, und belegt deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit. Konkret wird die Implementierung einer kernstrafrechtlichen Vorschrift zur Produktverantwortlichkeit angeregt.

Chapter

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung in die Problemstellung

I. Einleitung

II. Bedeutung und Ausmaß moderner Gefahren

1. Größe des Schadensausmaßes

2. Wissenschaftliche Unsicherheit hinsichtlich der Schädigungspotenziale

3. Dynamik

4. Risikobewertung und -abwehr durch den Einzelnen

5. Zurechnung der Gefahr

6. Vermeidbarkeit der Gefahren

7. Fazit

III. Staatlicher Schutz in der Risikogesellschaft

IV. Zum Verständnis des Gefahr- und Risikobegriffs

B. Verfassungs- und europarechtliche Aspekte des Umgangs mit modernen Risiken

I. Verfassungsrechtliches und staatstheoretisches Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit

II. Sicherheit

1. Sicherheit durch staatliche Schutzpflichten

a) Schutzpflichtherleitung des BVerfG

b) Herleitungen in der Literatur

aa) Ansatz der Zweidimensionalität des grundrechtlichen Freiheitsbegriffs

bb) Menschenwürdeansatz

cc) Staatstheoretischer Ansatz

dd) Abwehrrechtlicher Ansatz

c) Subjektive Rechte

d) Inhalt und Ausmaß

2. Sicherheit durch Schutzpflichten der Gemeinschaft

a) Herleitung der Schutzpflichten

aa) Aus den Gemeinschaftsgrundrechten

bb) Aus dem Primärrecht

b) Ausgestaltung und Umfang

3. Fazit

III. Freiheit

IV. Ausgleich von Sicherheit und Freiheit

C. Schutz auch bei Ungewissheit durch das Vorsorgeprinzip

D. Gefahrenabwehrrecht bei modernen Risiken

I. Vorverlagerung des Eingriffszeitpunkts

II. Dynamisierung des Rechts

1. Unfähigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers zur Detailregelung

2. Delegation der Gesetzgebung

a) Generalklauseln

b) Bestimmtheitsgebot

c) Gewaltenteilungsgrundsatz

d) Administrative Beurteilungsspielräume

e) Private Regelwerke

aa) Rechtssetzung

(1) Normergänzende Verweisungen

(2) Normkonkretisierende Verweisungen

bb) Rechtsanwendung

III. Revisionsoffenheit

IV. Wachsende Beteiligung der Rechtsunterworfenen an staatlichen Schutzmaßnahmen

1. Beratung und deren Steuerung

2. Selbstkontrolle der Wirtschaft

3. Kooperatives Verwaltungshandeln

V. Fazit

E. Strafrecht in der Risikogesellschaft

I. Die Kritik der Frankfurter Schule am „Risikostrafrecht“

II. Stellungnahme

III. Gang der Untersuchungen

IV. Funktion und Legitimation von Strafe

1. Präventiver Rechtsgüterschutz durch Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm

2. Legitime Verhaltensnorm

a) Angemessener Rechtsgüterschutz

b) Legitimationsperspektive

c) Keine reinen Verursachungsverbote

d) Tatbestand als Rechtsquelle

3. Verhaltensnormverstoß durch geistige Infragestellung

4. Tatbestandsmäßiges Verhalten

5. Angemessene Reaktion auf den Verhaltensnormverstoß – Legitimation der Sanktionsnorm

a) Besondere Eingriffsintensität und Effektivität der Strafe

b) Voraussetzungen einer angemessenen strafrechtlichen Reaktion

c) Geeignetheit und Erforderlichkeit als weitgehend abgeleitete Faktoren

aa) Geeignetheit

bb) Erforderlichkeit

d) Andere staatliche Reaktionsinstrumente

aa) Schadensersatz

bb) Verwaltungs- und Berufsrecht

cc) Ordnungswidrigkeiten

e) Strafbarkeitslimitierende Funktion der Angemessenheitsprüfung

6. Stellenwert von spezifischen Fehlverhaltensfolgen und anderen objektiven Gegebenheiten

7. Fazit: Vom Nutzen des Strafrechts

V. Pönalisierungsgebote als Ausfluss staatlicher Schutzpflichten

VI. Zentrale Kritikpunkte der Erfassung moderner Risiken durch das Strafrecht

1. Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes durch abstrakte Gefährdungsdelikte

a) Gründe für den Bedarf an abstrakten Gefährdungsdelikten: Ungewisse Kausalität

b) Lösungsansätze de lege lata

aa) Materiell-rechtlicher Lösungsansatz: Risikoerhöhungslehre

bb) Prozessualer Lösungsansatz: Freie richterliche Beweiswürdigung

cc) Fazit

c) Definition abstrakter Gefährdungsdelikte und Abgrenzung zu anderen Deliktsformen

d) Kritik an den abstrakten Gefährdungsdelikten

aa) Legitimationsprobleme: Fehlender Rechtsgüterschutzbezug im Wortlauttatbestand

(1) Lösungsansätze

(a) Strafe auch bei ungefährlichen Verhaltensweisen

(aa) Präsumtion

(bb) Kindhäuser

(cc) Kratzsch

(dd) Schünemann und Wolter

(b) Teleologische Reduktion bei ungefährlichem Verhalten

(aa) Cramer

(bb) Volz

(cc) Ansichten, die sich auf die Fahrlässigkeitdogmatik beziehen

(dd) Wolter

(2) Defizite der dargestellten Lösungsansätze

(3) Angemessene Lösung durch konsequente Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm

(a) Geschütztes Rechtsgut der Sanktionsnorm: Normgeltung

(b) Legitimation der Verhaltensnorm

(c) Tatbestandsmäßiges Verhalten

(d) Kein „Erfolgsunrecht“ vonnöten

(e) Annäherung an die konkreten Gefährdungsdelikte?

(f) Zusammenfassung und Fazit

bb) Problem der Überkriminalisierung: Verhältnismäßigkeit der Sanktion

e) Ergebnis

2. Ineffizienz des modernen Strafrechts am Beispiel von AMG und LFGB

a) Aufbau der Gesetze

aa) Grundnormen

bb) Formalistische und detaillierte Einzelregelungen

b) Inkonsistente Regulierung

aa) Kaum eigenständige Anwendungsbereiche vieler Normen

bb) Auffangfunktion bei Schutzlücken der Grundtatbestände

(1) Ungewisse Schadenseignung

(2) Beschränkung auf das Inverkehrbringen

cc) Ineffizienz der Regulierung

dd) Ergebnis

c) Nachteile formalistischer, sehr detaillierter Straftatbestände

aa) Schutzlücken trotz vieler Straftatbestände

bb) Schwierigkeiten bei der angemessenen Bestrafung

cc) Angemessene Strafverfolgung

dd) Delegation der Strafgesetzgebung auf die Exekutive durch qualifizierte Blankettstrafnormen (Rückverweisungsklauseln)

(1) Erwünschter Vorteil der qualifizierten Blankettgesetzgebung

(2) Bedenken gegen qualifizierte Blankettstrafgesetze

(a) Verstoß gegen den strengen Gesetzesvorbehalt

(b) Fehleranfälligkeit der Regelungstechnik

(c) Bestimmtheitsgebot

(d) Fazit

ee) Fazit

d) Zwischenergebnis

e) Generelle Regelungen, die ihre Legitimationsgründe offenlegen

aa) Vorteile

(1) Veränderungsoffenheit

(2) Keine Strafbarkeitslücken

(3) Erleichterung des Strafvollzugs und der angemessenen Sanktionierung

(4) Kein Bedarf für Gesetzgebungsdelegationen

bb) Modifikationsbedarf bei den Grundnormen in AMG und LFGB

(1) Risikodelikte

(a) Zulässigkeit der Vorverlagerung

(aa) Angemessenheit

(bb) Kein Verstoß gegen den Zweifelsgrundsatz

(b) Fazit

(2) Beschränkung auf das Inverkehrbringen

(3) Beschränkung der Produktgruppen

cc) Reformvorschlag zur strafrechtlichen Produktverantwortlichkeit von Freund

dd) Kritikpunkte

(1) Mangelnde Bestimmtheit

(2) Rechtskonkretisierung als Aufgabe der Strafjustiz

(3) Überkriminalisierung

(4) Tatbestandsalternative des „Zum-Inverkehrbringen-Bereithaltens“

ee) Fazit

f) Verbleibende Effektivitätsprobleme

aa) Probleme bei der Ermittlung

bb) Verantwortungszuschreibung

cc) Probleme der „white collar-crime“

dd) Fazit

g) Ergebnis zum Vorwurf des „symbolischen“ Rechts

3. Ergebnis zum Strafrecht in der Risikogesellschaft

F. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

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