Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale :Eine Verortung der subjektiven Zurechnung innerhalb der verfassungsrechtlichen Koordinaten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Schuldprinzips ( Schriften zum Strafrecht )

Publication subTitle :Eine Verortung der subjektiven Zurechnung innerhalb der verfassungsrechtlichen Koordinaten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Schuldprinzips

Publication series :Schriften zum Strafrecht

Author: Papathanasiou   Konstantina  

Publisher: Duncker & Humblot GmbH‎

Publication year: 2014

E-ISBN: 9783428542017

P-ISBN(Paperback): 9783428142019

Subject:

Keyword: Rechts- und Staatswissenschaften

Language: GER

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Description

Auf der Suche nach dem Vorsatzgegenstand fundiert Papathanasiou die strafrechtliche Irrtumslehre aus der Perspektive der Verfassung mit dem Ziel, die Schwächen der Parallelwertung in der Laiensphäre auszugleichen und den Bürger in verfassungskonformer Weise vor einer Ausuferung der strafrechtlichen Verantwortung zu schützen. Die Autorin setzt sich einerseits mit den verschiedenen Ansätzen, die zur Lösung des Rätsels des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale entwickelt wurden, andererseits mit der Trennung des Tatbestands- vom Verbotsirrtum und somit mit dem Gegensatzpaar von Vorsatz- und Schuldtheorie auseinander. Die Ausführungen münden in zwei Desideraten: Erstens, »normativ geprägte Merkmale« im Allgemeinen zu thematisieren, so dass die anzuwendenden Vorsatzerfordernisse von vornherein bekannt sind und nicht von der willkürlichen Klassifizierung eines Merkmals (z.B. als Blankett-, normatives oder gesamttatbewertendes Merkmal) abhängen; dabei sind individuelle Fähigkeiten des Täters schon für seinen Vorsatz mit zu berücksichtigen. Der Irrtum über normativ geprägte Merkmale ist zuallererst ein Tatbestandsirrtum. Zweitens, die Schuldtheorie einheitlich sowohl im Kern- als auch im Nebenstrafrecht anzuwenden. So kommt Papathanasiou zu ihrer (erstmals in ihrem Beitrag zur Festschrift für Claus Roxin, 2011, S. 467 ff., eingeführten) Formel der »Widerspiegelung der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Verständnishorizont des Täters«: Ausgehend von der Frage, ob das herkömmliche Verständnis von der sozialen Bedeutung der Norm, auf die die Parallelwertung in der Laiensphäre bezogen wird, den Anforderungen der Verfassung Rechnung trägt, wird die subjektive Zurechnung innerhalb der verfassungsrechtlichen Koordinaten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Schuldprinzips verortet.

Chapter

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Kapitel: Der Status quo der normativen Tatbestandsmerkmale innerhalb der Irrtumsdogmatik

A. Präliminarien

B. Die Palette der Irrtumsdogmatik

I. Die herrschende Lehre über die normativen Tatbestandsmerkmale

1. Deskriptive und normative Tatbestandsmerkmale

2. Normative Tatbestandsmerkmale und Blankettstrafgesetze

II. Die These von der Normativität aller Tatbestandsmerkmale (Erik Wolf)

III. Das Kriterium der Sozialschädlichkeit der Tat (Arthur Kaufmann et al.)

1. Der Begründer: Arthur Kaufmann

2. Weitere Vertreter (Otto, Schroth, Herzberg und Geerds)

a) Otto

b) Schroth

c) Herzberg

d) Geerds

3. Zur Kritik

IV. Die These von der Deskriptivität aller Tatbestandsmerkmale (Kunert)

V. Die Lehre von den gesamttatbewertenden Merkmalen (Roxin)

1. Vorab: Rechtspflichtmerkmale (Welzel)

2. Gesamttatbewertende Merkmale: Merkmale mit beschreibenden und unrechtsbestimmenden Elementen

3. Zur Kritik

VI. Institutionelle und natürliche Tatsachen (Darnstädt)

VII. Die Struktur der „teleologisch reduzierten Sachverhaltssicht“ (Schlüchter)

VIII. Verzicht auf die Unterscheidung der deskriptiven von den normativen Tatbestandsmerkmalen (Dopfslaff)

IX. Reduktion des Vorsatzbegriffs auf die reine Verwirklichungsvorstellung objektiver Faktoren (Rückkehr zur reichsgerichtlichen Irrtumslehre)

1. Vorab: die Rechtsprechung des RG zum Irrtum (error facti und error iuris)

a) Error facti

b) Error iuris criminalis nocet

c) Error iuris non criminalis non nocet

2. Diagnosekriterien und Darstellung „reichsgerichtsfreundlicher“ Auffassungen

a) Tiedemann: abstrakte Rechtsnorm und konkrete Sollenspflicht

b) Herzberg: Verweisungsbegriffe und Verweisungsbereich

c) Haft: gegenstandsbezogener und begriffsbezogener Irrtum

d) Burkhardt: Argument der prinzipiellen Substituierbarkeit

e) Kuhlen: Zeitstrukturkriterium

f) Puppe: L-äquivalente Sätze

g) Kindhäuser: Wahrheits- und Sinnkenntnis

h) Rinck: Annahme der Trennung in Tat- und Rechtsirrtum

i) Safferling: Entnormativierung des Vorsatzgegenstandes

j) B. Heinrich: „Verwässerung“ der Irrtumslehre durch die normativen Tatbestandsmerkmale

3. Zur Kritik

a) Im Ganzen

b) Zum Teil

c) Im Lichte der umgekehrten Irrtümer (am Beispiel der Strafvereitelung)

C. Verdeutlichung der herausgearbeiteten Problemstellungen anhand konkreter Straftatbestände

I. Die herausgearbeiteten Problemstellungen im Lichte des Parteiverrats (§ 356 StGB)

1. Feststellung der Notwendigkeit, einen Begriff einheitlich anzuwenden

a) Die Rechtsprechung

aa) BGHSt 18, 192

bb) BGHSt 15, 332

cc) BGHSt 3, 400

b) Das Schrifttum

2. Feststellung der Notwendigkeit, auf den konkreten Täter abzustellen

II. Bestätigung beider Feststellungen durch weitere Vorschriften

1. Die Verwerflichkeitsklausel in § 240 Abs. 2 StGB

2. Die „Rechtswidrigkeit der Zueignung“ in § 242 StGB

3. Die „Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils“ in § 263 StGB

4. Die „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen“ in § 266 StGB

D. Zwischenergebnis I: normativ geprägte Merkmale und Abstellen auf den konkreten Täter

2. Kapitel: Topoi des Unrechtsbewusstseins und die Dichotomie von Irrtümern

A. Vorab

B. Das Gegensatzpaar: Vorsatz- vs. Schuldtheorie

I. Eine Anmerkung sine qua non: die Plenarentscheidung BGHSt 2, 194 und über sie hinaus

1. Ablehnung der Vorsatztheorie und Verteidigung der Schuldtheorie

2. Gewissensanspannung und Vermeidbarkeitsmaßstab

II. Vorsatztheorien

1. Die strenge Vorsatztheorie

2. Die eingeschränkten Vorsatztheorien

a) Rechtsfeindschaft bzw. Rechtsblindheit

b) Rechtsfahrlässigkeit

aa) Rechtsfahrlässigkeit im weiteren Sinne

bb) Rechtsfahrlässigkeit im engeren und eigentlichen Sinne

3. Zeitgenössische Vertreter der Vorsatztheorie: Darstellung und Kritik

a) Schmidhäuser und Langer

aa) Schmidhäuser

bb) Langer

cc) Zur Kritik: der Beschluss BVerfGE 41, 121 und seine Bindungswirkung

b) Otto und Geerds

aa) Otto

bb) Geerds

c) Koriath

d) Jakobs

e) T. Walter

III. Schuldtheorien

1. Die strenge Schuldtheorie

2. Die eingeschränkten Schuldtheorien

a) Die eingeschränkte Schuldtheorie i. e. S.

b) Die rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie

c) Weitere schuldtheoretische Nuancen

aa) Die „unselbstständige Schuldtheorie“

bb) Rechtsfolgenselbstständige Schuldtheorie

cc) Vermittelnde Schuldtheorie

IV. Eigenständige Lösungsansätze jenseits von Schuld- und Vorsatztheorie

1. Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen

2. Nowakowski: Wissens- und Bewertungsirrtum

3. Gallas: Gegenstand und Ursache des Irrtums

C. Die Auffassung, nach der im Kernstrafrecht die Schuld-‍, im Nebenstrafrecht die Vorsatztheorie anzuwenden ist

I. Begriffliche Anmerkungen

II. These

III. Antithese

IV. Synthese

D. Zwischenergebnis II: Gewährleistung des Bedarfs an Einheit und Konsequenz durch die (weichere) Schuldtheorie

I. Gegen die Vorsatztheorie

II. Für die Schuldtheorie (insb. eine „weichere“)

III. Summa summarum

3. Kapitel: Die Widerspiegelung der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Verständnishorizont des Täters (WGVT-Formel)

A. Abschied von der Figur der Parallelwertung in der Laiensphäre: Zum Verständnishorizont des Täters

I. These

II. Antithese

1. Puppe

2. Rinck

III. Synthese

B. Die verfassungsrechtliche Fundierung der WGVT-Formel

I. Der Bestimmtheitsgrundsatz

1. An der Schwelle der Problematik: der Rechtsstaat

2. Die lex certa et parlamentaria

3. Der Bürger als der konkrete Normadressat der Strafrechtsnorm: Zum Verständnishorizont des Täters

4. Die gesetzgeberische Grundentscheidung: Inhalt, Funktion und (vorläufige) Bestimmung

5. Das parallel vorhandene Bedürfnis nach Rechtssicherheit und die moderne Informationsüberflussgesellschaft

6. Ergänzender Exkurs: der ontologische Status von Texten

II. Das Schuldprinzip

1. Nullum crimen sine culpa

2. Umsetzung der verfassungsrechtlichen Normativbedingungen in der Strafrechtsdogmatik

3. Absicherung des Schuldprinzips gegen die Systemtheorie

4. Absicherung des Schuldprinzips gegen den neurobiologischen Determinismus

5. Ergänzender Exkurs: der Unvollständigkeitssatz Gödels

C. Die Widerspiegelung

I. Die „Widerspiegelungstheorie“ und die endgültige Bestimmung der gesetzgeberischen Grundentscheidung

II. Die Widerspiegelung innerhalb der WGVT-Formel

1. Widerspiegelung und transzendentale Ästhetik: der fruchtbare Gedanke

2. Widerspiegelung und strafrechtliche Irrtumslehre: die fruchttragende Umsetzung

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

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