Zur Strafbarkeit von virtuellen Sit-Ins :Zugleich ein Beitrag zur (Mit)Täterschaft bei minimalen Tatbeiträgen ( Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge )

Publication subTitle :Zugleich ein Beitrag zur (Mit)Täterschaft bei minimalen Tatbeiträgen

Publication series :Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge

Author: Wengenroth   Lenard  

Publisher: Duncker & Humblot GmbH‎

Publication year: 2014

E-ISBN: 9783428543021

P-ISBN(Paperback): 9783428143023

Subject:

Keyword: Rechts- und Staatswissenschaften

Language: GER

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Description

Lenard Wengenroth untersucht die Strafbarkeit einer neuen virtuellen Protestform. Sogenannte virtuelle Sit-Ins zielen darauf ab, ein Serversystem durch massenhafte Datenanfragen zu überlasten, damit dort gespeicherte Webseiten vorübergehend nicht erreichbar sind. In jüngerer Zeit haben vermehrt politisch motivierte Seitenblockaden für Aufsehen gesorgt. Dies wirft die Frage auf, inwieweit virtuelle Sit-Ins von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt sind und was sich daraus für Konsequenzen, insbesondere für die Auslegung des § 303b StGB, ergeben. Da bei der heutigen Serverleistung in der Regel mehrere tausend Beteiligte benötigt werden, um ein störungsrelevantes Datenaufkommen zu erzeugen, stellen sich zudem komplexe Kausalitäts- und Zurechnungsfragen. Der Autor entwickelt anhand des Merkmals der Gleichwertigkeit einen eigenständigen Ansatz, um eine Mittäterschaft der Protestbeteiligten im Sinne einer funktionellen Tatherrschaft zu begründen. Die verfassungsrechtliche Untersuchung hat ergeben, dass virtuelle Sit-Ins zwar keine Versammlung darstellen, aber der Meinungsfreiheit unterfallen. Es ist daher eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen Straftatbestände vorzunehmen, die im Einzelfall zur Straflosigkeit der Beteiligten führen kann.

Chapter

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung

B. Strafrechtliche Diskussion um Online-Sitzblockaden

C. Informationstechnischer Hintergrund eines virtuellen Sit-Ins

I. Grundsätzliche Wirkweise eines Denial-of-Service Angriffs

II. Virtueller Sit-In als freiwillige Ausprägungsform eines Distributed-Denial-of-Service

D. Strafbarkeit durch die Beteiligung an einem Sit-In

I. Computersabotage

1. Geschütztes Rechtsgut und Rechtsgutsträger

a) Funktionsfähigkeit einer Datenverarbeitung als geschütztes Rechtsgut

b) Rechtsgutsträger

aa) Streit um die Wesentlichkeit bei ausgelagerten Datendienstleistungen

bb) Nutzungsrecht an der Datenverarbeitung

cc) Eigentümerähnliche Position

dd) „Miteigentum“ an Datenverarbeitungen

c) Zusammenfassung

2. Datenverarbeitung von wesentlicher Bedeutung

a) Begriff der Datenverarbeitung

b) Wesentliche Bedeutung

c) Webserverprozesse

aa) Private Seitenbetreiber

bb) Betriebliche oder behördliche Seitenbetreiber

cc) Drittanbieter

dd) Mehrere parallele Anknüpfungssubjekte

d) Zusammenfassung

3. Sabotagehandlung

a) Datenveränderung

aa) Datenbegriff

bb) Datenberechtigter

(1) Konkretisierung der Verfügungsbefugnis

(2) Berechtigter bei Daten auf öffentlich zugänglichen Webservern

cc) Datenunterdrückung

(1) Lediglich vorübergehende Entziehung des Datenzugriffs

(2) Fehlende Datenzugriffsmöglichkeit während einer Server-Blockade

(3) Keine Datenunterdrückung durch den Bereitstellenden

dd) (Un)‌brauchbare Daten

b) Eingeben oder Übermitteln von Daten

aa) Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung der Datenübermittlung

bb) Konsequenz für die verschiedenen Beteiligungsmodalitäten

cc) Nachteilszufügungsabsicht

c) Beeinträchtigung der Hardware

aa) Beschädigung des Servers

bb) Unbrauchbarkeit des Servers

d) Verhältnis der Tatalternativen

e) Zusammenfassung

4. Erhebliche Störung

a) Erheblichkeit im Lichte der Wesentlichkeit

b) Grundrechtsschutz virtueller Demonstranten

aa) Versammlungscharakter eines virtuellen Sit-Ins

(1) Kollektive Dimension einer Versammlung

(2) Störung des Servers als gemeinsamer Zweck

(3) Beeinträchtigung ≠ unfriedlich

bb) Virtuelle Sit-Ins und Kommunikationsgrundrechte

(1) Meinungsäußerung durch das Verschicken von Datenanfragen

(2) (Un)‌Friedlichkeit der Meinungsäußerung

(3) Meinungsäußerung auf fremdem Eigentum

(4) Meinungsfreiheit vs. Rechtsgüterschutz

(a) Bedeutung von Datenverarbeitungen in der modernen Kommunikationsgesellschaft

(b) Webserver als öffentliches Forum?

(c) Vorrang der Meinungsfreiheit im Einzelfall

(5) Konsequenz der gefundenen Ergebnisse

c) Zusammenfassung

5. Besonders schwere Computersabotage

a) Gesteigerter Vermögensverlust

b) (Virtuelle) Bande

c) Versorgungs- und Sicherheitsbeeinträchtigungen

6. Zusammenfassung

II. Nötigung

1. Der Gewaltbegriff im Kontext moderner Protestformen

a) Körperliche Kraftentfaltung durch einen Mausklick

aa) Notwendigkeit des Merkmals

bb) Intensität der Kraftentfaltung

cc) Richtung der Kraftentfaltung

dd) Kraftentfaltung bei Datenangriffen

b) (Un)‌körperliche Wirkung einer Serverblockade

aa) Intensität der Sacheinwirkung

bb) Abgrenzung zur Sachbeschädigung und Sachentziehung

cc) Auswirkungen eines virtuellen Sit-Ins

2. Drohen mit einem virtuellen Sit-In

a) Nachteile durch eine Serverblockade

b) Übelzufügung und konkludente Drohung

3. Zusammenfassung

III. Weitere Tatbestände

1. Unterdrücken von Datenurkunden

2. Sachbeschädigung

3. Datenunterdrückung

4. Störung von Telekommunikationsanlagen

5. Störung von öffentlichen Betrieben

6. Straftatbestände im TKG und BDSG

7. Zusammenfassung

IV. Strafrechtliche Verantwortung beim kumulativen Zusammenwirken minimaler Tatbeiträge

1. Protestierende Nebentäter

a) Kausalität des einzelnen Datenaufkommens für die Serverstörung

aa) (Un)‌Tauglichkeit der conditio-sine-qua-non-Formel

(1) Virtueller Sit-In, ein Fall kumulativer Kausalität?

(2) Virtueller Sit-In, ein Fall alternativer Kausalität?

(3) Der Erfolg in seiner ganz konkreten Gestalt

bb) Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung

cc) Zusammenfassung

b) Serverstörung als Werk des einzelnen Protestteilnehmers?

aa) (Un)‌Gefährliche Datenübermittlung

bb) Vorhersehbarkeit der Überlastungssituation

cc) Vertrauensgrundsatz

dd) Keine Beherrschbarkeit der Überlastungssituation

ee) Zusammenfassung

c) Interpretation des § 303b StGB als Kumulationsdelikt

d) Täterschaft durch Teilnahme

e) Strafrechtliche Verantwortung in einem normativ-funktionalen Straftatensystem

2. Gemeinschaftliches Protestieren

a) Aufruf zur Blockade als gemeinsamer Tatplan

aa) Einpassungsentschluss

bb) Konkludente Einwilligung durch die Tatausführung

b) Erzeugte Datenpakete als objektiver Tatbeitrag

aa) Kein wesentlicher Beitrag der Protestbeteiligten? – die Kritik von Kelker

bb) Stellungnahme

cc) Funktionelle Tatherrschaft bei minimalen Tatbeiträgen

(1) Anknüpfungspunkt der Betrachtung

(2) Die Gleichwertigkeit der Tatbeiträge

(3) Entkräftung möglicher Einwände

(a) Nähe zur gemäßigt subjektiven Theorie der Rechtsprechung

(b) Keine Befürwortung der Risikoerhöhungslehre

c) Unbeachtlichkeit „neutraler“ Datenpakete

3. Gehilfenbeitrag der Bereitstellenden

4. Zusammenfassung

V. Organisation eines Sit-Ins

1. Mittäterschaft

2. Anstiftung zu einer Computersabotage etc.

3. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten

a) Auffordern zu einer rechtswidrigen Tat

b) Auswirkungen der Meinungsfreiheit

4. Drohen mit der Durchführung eines Sit-Ins

5. Beihilfe zu einer Computersabotage etc.

6. Vorbereiten einer Computersabotage

7. Zusammenfassung

E. Internationale Dimension virtueller Protestformen

I. Inlandstaten

II. Auslandstaten

1. Verbindliches zwischenstaatliches Abkommen?

2. Ausländische Datenangriffe gegen deutsche Rechtsgutsträger

3. Deutsche Beteiligung im Ausland an virtuellen Sit-Ins gegen ausländische Server

III. Zusammenfassung

F. Fazit

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

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