Chapter
A. Erfolgszurechnung bei drittvermittelten Rettungsgeschehen als Belastungsprobe empirischer Kausalitätsfeststellung
I. Praktische Annäherung an das Problem: Der Eissporthallen-Fall
IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
B. Wissenschaftstheoretische und strafrechtsdogmatische Grundfragen zur Kausalität der Unterlassung
I. Die Kausalität und ihre Feststellung
1. Die Feststellung der Kausalität in der wissenschaftstheoretischen Diskussion
a) Empirischer Skeptizismus Humes
aa) Einordnung der Untersuchung über den menschlichen Verstand
bb) Singuläre Kausalsätze als Produkt intuitiver Erfahrung, Unergründbarkeit allgemeiner Kausalgesetze
(1) Kausalrelation als Grundlage menschlicher Erkenntnis
(2) Erfahrung als einzige Grundlage unserer Vorstellung von Kausalität
(3) Logische Unzulänglichkeit singulärer Kausalsätze
(4) Intuitionsbasierte Gewohnheit als Triebfeder unserer Vorstellung von Kausalität
(5) Kausalität als notwendige Verknüpfung?
(6) Zusammenfassung und Definition der Ursache
cc) Humes Kausalitätstheorie in der wissenschaftstheoretischen Diskussion
dd) Eigene Bewertung: Abhängigkeit singulärer Kausalsätze von ihrem kausalgesetzlichen Kontext
b) Die Kausalität als Kategorie des Verstandes nach Kant
aa) Einordnung der Kritik der reinen Vernunft
bb) Kausalrelation als Verstandesbegriff a priori
(1) Erkenntnistheoretische Grundlagen
(2) Erste Analogie: Beharrlichkeit der Substanz
(3) Zweite Analogie: Zeitfolge nach dem Gesetz der Kausalität
cc) Kants Kausalitätstheorie in der wissenschaftstheoretischen Diskussion
(1) Erweiterung der bipolaren Erkenntnistheorie Humes um das Konzept der Erscheinung
(2) Kausalprinzip als Bindeglied zwischen Vorstellung und Objektwelt
(3) Kausaltheorie als Forschungsauftrag
(4) Lehren aus der Kausalitätstheorie Kants für die Formulierung singulärer Kausalsätze
cc) Aktionistisches Konzept van Wrights
dd) Eigene Stellungnahme: Methodischer Pluralismus in der aktuellen wissenschaftstheoretischen Kausalitätsdiskussion
d) Ergebnis der wissenschaftstheoretischen Betrachtung: Methodischer Pluralismus der wissenschaftstheoretischen Diskussion als Impuls für die strafrechtliche Problemlösung
aa) Entwicklungslinien der wissenschaftstheoretischen Diskussion
bb) Zum Verhältnis von Wissenschaftstheorie und Strafrechtsdogmatik
(1) Stimmen aus der strafrechtlichen Literatur
(2) Stellungnahme: Berücksichtigung extradisziplinärer Erkenntnisse im Rahmen strafrechtsautonomer Begriffsbildung
cc) Lehren aus der wissenschaftstheoretischen Betrachtung für die weitere Untersuchung
2. Funktion, Struktur und Gehalt der strafrechtlichen Kausalitätsprüfung
a) Funktion der Kausalitätsfeststellung
b) Grundstruktur der strafrechtlichen Kausalitätsprüfung
aa) Wissenschaftstheoretischer Anknüpfungspunkt: Gleichheit aller Bedingungen nach John Stuart Mill
bb) Äquivalenz- und Bedingungstheorie
c) Materieller Gehalt der strafrechtlichen Kausalitätsprüfung
bb) Kritik an Conditio-Formel und Modifikationen
cc) Formel von der gesetzmäßigen Bedingung
dd) Eigene Stellungnahme: Conditio-Formel und Formel von der gesetzmäßigen Bedingung im System der strafrechtlichen Kausalitätsprüfung
ee) Logische Ausdifferenzierung der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung durch Puppe
(2) Wissenschaftstheoretischer Hintergrund
(3) Puppe: Formel von der gesetzmäßigen Mindestbedingung
(1) Aktueller Stand in Literatur und Rechtsprechung
(2) Chancen und Grenzen wissenschaftslogischer Betrachtungen
(3) Formel von der gesetzmäßigen Bedingung im Kontext der Trennung von Zurechnung und Kausalität
(4) Vorzüge und Grenzen der Orientierung der strafrechtlichen Kausalitätsprüfung an Gesetzmäßigkeiten
3. Zwischenergebnis der Untersuchung der wissenschaftstheoretischen und strafrechtsdogmatischen Grundstrukturen der Kausalitätsprüfung
II. Die Erfolgszurechnung im Bereich der Unterlassungsdelikte
1. Struktur der Zurechnung bei den Unterlassungsdelikten
a) Unterlassung als gesetzmäßige negative Bedingung
b) Hypothetische Kausalität der Unterlassung
d) Eigene Bewertung: Unterlassungskausalität als funktional-normorientierte Zurechnung
aa) Zur Zulassung von Negativbedingungen als Ursachen im strafrechtlichen Sinn
bb) Zur Funktion einer hypothetischen Kausalitätsprüfung
cc) Integration funktional-normorientierter Gesichtspunkte als struktureller Unterschied zur Begehungskausalität
2. Materieller Gehalt der Zurechnung bei den Unterlassungsdelikten: Lösungskonzepte bei Zweifeln über hypothetische Erfolgsverhinderung
a) Vermeidbarkeitstheorie und Kritik
b) Risikoverminderungslehre und Kritik
c) Weiterentwicklungen der Risikoverminderungslehre
aa) Destabilisierung eines Gefahrenherdes (Gimbernat)
bb) Nachweisbar risikovermindernde Modifizierung des Kausalverlaufs (Roxin)
cc) Zurechnungsbegrenzende Risikoverminderungslehre (Greco)
aa) Die Ausgangssituation
bb) Zu den Ausdifferenzierungen der Risikoverminderungslehre
cc) Gesetzgeberische Vorgaben und Gestaltungsspielräume bei der Vermeidbarkeitsprüfung
3. Zwischenergebnis der Erfolgszurechnung im Bereich der Unterlassungsdelikte
C. Erfolgszurechnung bei drittvermittelten Rettungsgeschehen: Diskussion in Literatur und Rechtsprechung
I. Das Zurechnungsproblem und seine Praxisrelevanz
II. Die Lösung der Rechtsprechung
1. Anwendung der Vermeidbarkeitstheorie
2. Normative Zurechnung bei Gremienentscheidungen: Politbüro-Entscheidung
3. Zusammenfassung und Systematisierung
III. Kritik in der Literatur
1. Denklogische Unmöglichkeit der Beweisführung über hypothetisches Verhalten
2. Irrelevanz hypothetischer Schadensverläufe
3. Keine Entlastung mit fiktiver Pflichtverletzung
IV. Überprüfung und eigene Kritik
1. Zur Unmöglichkeit der Beweiserhebung über hypothetisches Verhalten
a) Beweisrechtliches Legitimationsdefizit der Vermeidbarkeitstheorie
aa) Zur denklogischen Unmöglichkeit der Beweisführung über hypothetisches Verhalten
bb) Legitimationsdefizit der Beweiserhebung über hypothetisches Verhalten
b) Gesicherte Tatsachenbasis als Legitimation hypothetischer Beweisführung
aa) Ausgleich des Legitimationsdefizits durch erhöhte Anforderungen an beweisrechtliches Umfeld
bb) Anwendungsbeispiel: Beweisführung über hypothetische Einwilligung
c) Scheitern eines streng empirischen Kausalitätsbeweises aufgrund der Formbarkeit der Hypothese
aa) Ausgangssituation bei drittvermittelten Rettungsgeschehen
bb) Formbarkeit der Hypothese in der Fallstudie
cc) Potenzierung der Unsicherheiten
d) Abkehr vom „Reinheitsgebot für die Hypothesenbildung“
e) Konsequenz: Rechtsunsicherheit
f) Zusammenfassung: Vermeidbarkeitstheorie als nur scheinbar empirische Kausalitätsbestimmung
2. Zum Verbot der Berücksichtigung hypothetischer Schadensverläufe
a) Relevanz des hypothetischen Eingreifens Dritter für die Erfolgszurechnung bei Begehungs- und Unterlassungsdelikten
b) Überprüfung der Lösung des BGH
3. Zur Unzulässigkeit der Entlastung mit der hypothetischen Pflichtverletzung eines Dritten
a) Begründung durch Prämisse der Normbefolgung
aa) Prämisse der Normbefolgung in Rechtsprechung und Literatur
(2) Weiterentwicklung durch Jakobs
(3) Übernahme durch Frister, Lindemann, Sofos
(4) Anwendung durch den BGH bei Gremienkausalität
(5) Kindhäuser: „Fundamentalprinzip strafrechtlicher Erfolgszurechnung“
(6) Zwischenergebnis: Die Prämisse und das Problem ihrer Anwendbarkeit
bb) Anwendbarkeit bei drittvermittelten Rettungsgeschehen
(1) BGH: Feststellung der Unanwendbarkeit ohne Begründung
(2) Greco: Unanwendbarkeit aufgrund normativ relevanter Unterschiede
(3) Puppe, Jakobs, Kahrs: Anwendbarkeit
cc) Eigene Stellungnahme: Potenzial und Grenzen der Prämisse der Normbefolgung als normativer Erwartung
(1) Verfehlte Anwendung durch den BGH zur Legitimierung einer zurechnungsbegründenden Fiktion im Politbüro-Fall
(2) Potenzial der Prämisse der Normbefolgung für die Strukturierung und Lösung des Zurechnungsproblems
b) Kriminalpolitische Begründung
aa) Erschwerte Verantwortungszuschreibung bei arbeitsteiliger Gefahrenüberwachung
bb) Gesetzesbindung kriminalpolitisch-teleologischer Rechtsanwendung
c) Strafrechtstheoretische Begründung
bb) Normgeltungsorientierter Ansatz
cc) Rechtsgüterschutz durch Formalisierung sozialer Kontrolle
d) Fazit: Die Berechtigung der Kritik und die Schwierigkeit ihrer systemgerechten Umsetzung
4. Zusammenfassung der Kritik
V. Alternative Lösungsansätze in der Literatur
1. Kahlo: Zurechnung wegen Zerstörung einer Rettungschance
2. Zurechnung durch Versagung der Entlastungsmöglichkeit
a) Lindemann, Frister, Jakobs: Irrelevanz des hypothetisch pflichtwidrigen Verhaltens des Dritten
b) Philipps: Gleichwertiger Geltungsanspruch der Verbotsnorm bei Arbeitsteilung
3. Zurechnung durch normative Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens
a) Puppe: Vermutung des pflichtgemäßen Verhaltens des Dritten
b) Bosch: Einschränkung bei Nachweis fehlender Abwendungsmöglichkeit ex post
c) Ast: Normative Vermutung als Grundlage für Zurechnung über § 25 I Alt. 2 StGB
d) Kudlich, Altenhain: Relevanz hierarchischer Über- und Unterordnungsverhältnisse
4. „Kontrafaktische“ Zurechnung durch Fiktion pflichtgemäßen Verhaltens
a) Sofos: Annahme kontrafaktischer Normkonformität
b) Kahrs: Pflichtbezogenes Vermeidbarkeitsprinzip
5. Gebotsnorm als beweisrechtlich relevanter Orientierungsfaktor
6. Normative Ansätze: Isolierung der Pflichtverletzung des Erstgaranten
a) Roxin: Zurechnung durch normative Betrachtung der Kausalverläufe
b) Gimbernat: Destabilisierung eines Gefahrenherdes als Zurechnungsgrundlage
c) Stübinger: Normative Relevanz von Informationen als Zurechnungskriterium
7. Kernprobleme der alternativen Lösungsansätze
a) Systematisierung der Ansätze
aa) Ausgangssituation: Rechtsfrage oder tatsächliche Frage?
(1) Vermeintlich eindeutige Ausgangssituation
(2) Beweisschwierigkeiten bei nachträglichen Prognosen
(3) „Normative Lage“ bei Arbeitsteilung
cc) Versuch einer Weiterentwicklung
(1) Empirische Entscheidungsregel und strukturelles Beweisproblem
(2) Vorschlag einer Streitverlagerung
c) Zurechnungsstruktur der Verletzungsdelikte
aa) Struktur einer systemgerechten Zurechnung des Verletzungserfolgs bei drittvermittelten Rettungsgeschehen
(1) Die gesetzlichen Vorgaben
(2) Funktionale Interpretation des Verletzungserfolgs
bb) Bewertung der Alternativlösungen
d) Zwischenergebnis: Durchbrechung der Zurechnungsstrukturen durch Vermutung, Fiktion und Ausblendung empirischer Anhaltspunkte
D. Entwicklung eines eigenen Zurechnungsmodells
I. Versuch der Lösung über bekannte dogmatische Figuren
1. Lösung als Fall alternativer Kausalität
a) Fiktionslösungen als Konstruktion alternativer Kausalität
b) BGH: keine alternative Kausalität
c) Eigene Ansicht: alternative Kausalität als Überbedingung bei identischer Erfolgswirksamkeit
d) Fazit: keine Lösung als Fall alternativer Kausalität
2. Zurechnung über die Figur der fahrlässigen Mittäterschaft
a) Keine Verletzung einer Handlungspflicht bei fehlender Information des Dritten
b) Keine identische Handlungspflicht bei Kenntnis des Dritten
c) Fazit: keine Zurechnung über die Figur der fahrlässigen Mittäterschaft
3. Zusammenfassung des Erkenntnisstandes
II. Grundstruktur des Zurechnungsmodells
1. Ineinandergreifen von empirischer Betrachtung und normativer Zurechnung
2. Normative Verantwortungszuschreibung und ihre empirische Überprüfung
3. Gefahrendiagnose als Verantwortungsbereich des Erstgaranten
III. Ausgestaltung des Zurechnungsmodells
1. Kriterien der normativen Verantwortungszuschreibung
a) Überlegenes Fachwissen
c) Gestaltungsfunktion des Erstgaranten im spezialisierten Gefahrenabwehrsystem
d) Hierarchische Über-/Unterordnung
2. Modifizierter Inhalt der empirischen Vermeidbarkeitsprüfung
a) Konzentration der Hypothesenbildung auf unmittelbares Tatgeschehen
IV. Überprüfung des Zurechnungsmodells anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung
E. Anwendung des Lösungskonzepts auf ausgewählte Zurechnungsprobleme im Rahmen von Compliance-Systemen
1. Zurechnungsprobleme als unbearbeitete Thematik
2. Untersuchungsgegenstand: Drittvermitteltes Rettungsgeschehen im Compliance-System
3. Grundannahmen zu Garantenstellung und sonstigen Strafbarkeitsvoraussetzungen
b) Vorsatz/Fahrlässigkeit
1. Leitender Compliance Officer meldet nicht an Unternehmensführung
2. Dezentraler Compliance Officer meldet nicht an leitenden Compliance Officer
III. Anwendung des Lösungsmodells
1. Normative Verantwortungszuschreibung
c) Kriterium Gestaltungsfunktion des Erstgaranten im Gefahrenabwehrsystem
d) Kriterium hierarchische Über-/Unterordnung
2. Empirische Vermeidbarkeitsprüfung
F. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Ausblick
I. Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform